Lost for Words: Roger Waters abwertende Rede über Polly Samson

Roger Waters 24.5.2023 Prag, O2 Arena

Als man schon dachte, alles gut, die Europa-Tour von Roger Waters geht ruhig dem Ende zu, er findet seinen Frieden, genießt die Shows, keine deutschen Medien in Sicht, das Antisemiten-Thema halbwegs durch, da legt er in der Causa Polly Samson scharf nach.

Beim zweiten Konzert in der Londoner O2 Arena vor dem Song The Bar nimmt sich Waters Zeit, für teils ausgiebigere Botschaften an das Publikum. Zum Krieg in der Ukraine gibt es, in seiner an politischen Thematiken reichhaltigen Show, weiterhin so gar nichts zu hören. Dafür fiel ihm ein, als er von der Liebe sprach, die er für sein Publikum und überhaupt empfindet, dass es eine Frau gibt, für die er diese Gefühle nicht teilt. Die Lady lebt in London, ihr Name sei Polly.

Imaging Waking up … TO THAT!

Waters nahm also erstmalig öffentlich zu Samson’s Tweet vom Februar Stellung, das ist sein gutes Recht. Die Möglichkeit auf ihre heftigen Vorwürfe, er sei ein Antisemit, frauenfeindlicher, nicht singender Steuerhinterzieher … einzugehen, nutzt er nicht. Stattdessen sagte er den 20.000 Konzertbesuchern über die Ehefrau von David Gilmour, Polly Samson: Stell dir vor, du wachst jeden Morgen damit auf.

I love all of my brothers and sisters … irrespective of their ethnicity, or religion or nationality … Well, with one possible exception (laughs).

Oh, look she says, don’t do it, don’t it. Alright, I say it by risk. You only get this chance once in a lifetime.

But when we talk about loving everybody … There is a Lady, I think she lives somewhere in London. She tweeted poling things about me. Terribly … who? She talked about me being an antisemite to my rotten core. I was really upset. And it all could have contributed by the whole enthusiasm that the Israeli lobby has devolved since then to have me wiped off the face of the earth.

So should I mention her name. Anyway, so this Lady, alright I tell you the name … Polly. If you haven’t seen the tweet, it is disgusting. Should I stop now? I think I should. (Laughing and boos from the audience). No? Alright.

Well, all I have to say about Polly Samson is: imagine waking up to that every morning. (Gelächter im Publikum) Hey … alright, okay. Well that’s the end of that.

Roger Waters, Bar-Rede, London, 7.6.2023

Viele im Publikum fanden das lustig und das trotz der immense Liebe, die in der Atmosphäre lag. Alles in allem ein weiterer Tiefpunkt. Er hätte die Chance gehabt, drüberzustehen, stattdessen begibt er sich mit dieser Aussage auf das unterste Niveau. Dass sich Waters eines Trump’schen Sprachjargons gegenüber Polly Samson bedient, damit hätte ich nicht gerechnet.

David Gilmour souverän

Gilmour seinerseits hat darauf die beste aller Antworten gegeben.

#lostforwords #usandthem #timeistickingaway

Konzert-Statistik:

  • Tour: This Is Not A Drill 2023
  • Termin: 7.6.2023, Mittwoch
  • Spielstätte: O2 Arena
  • Plätze: bis 20.000
  • Adresse: Peninsula Square, Greenwich, London
  • Einlass: 18:30 Uhr | Showtime: 20:10 Uhr

Band:

  • Roger Waters: Vocals, Bass, Piano, Guitar
  • Joey Waronker: Drums
  • Jonathan Wilson: Guitars, Vocals
  • Gus Seyffert: Guitars, Bass, Harmonica
  • Dave Kilminster: Guitars, Bass, Backing Vocals
  • Jon Carin: Keyboards, Guitars, Backing Vocals
  • Robert Walter: Keyboards
  • Amanda Belair: Vocals
  • Shanay Johnson: Vocals
  • Seamus Blake: Saxophon

Setlist:

Set 1

  1. Comfortably Numb (reworked Version)
  2. The Happiest Days of Our Lives
  3. Another Brick in the Wall (Part 2)
  4. Another Brick in the Wall (Part 3)
  5. The Powers That Be
  6. The Bravery of Being Out of Range
  7. The Bar (unreleased new Song)
  8. Have a Cigar
  9. Wish You Were Here
  10. Shine On You Crazy Diamond (Parts 6–9)
  11. Sheep (Flying Sheep Brian)

Set 2

  1. In the Flesh
  2. Run Like Hell (Flying Pig)
  3. Déjà-vu
  4. Déjà-vu (Reprise)
  5. Is This the Life We Really Want?
  6. Money
  7. Us and Them
  8. Any Colour You Like
  9. Brain Damage
  10. Eclipse (letzte Strophe zweimal gesungen)

Encore

  1. Two Suns in the Sunset
  2. The Bar (Reprise) (unreleased new Song)
  3. Outside the Wall

37 Antworten

  1. Avatar Peter sagt:

    Was für ein erbärmlicher Angriff von Waters und was für eine großartige Antwort Gilmours.

  2. Avatar Matthias sagt:

    Er gibt sich gern als der große weise Mann der die Welt versteht und ist doch so erbärmlich klein und unbedeutend.Er hätte in Würde und mit Anstand das Erbe seiner ehemaligen Band für die er so großes geschaffen hat mit so vielen Menschen auf eine anständige Art u. Weise teilen können.
    Stattdessen missbraucht er sein großes Werk für verstörende Rockshows,und hetzt seit Jahrzehnten gegen seine ehemaligen Bandkollegen.Wie unwürdiger kann man sich in seinem Alter eigentlich noch verhalten ? Er wird immer mehr zu einer peinlichen und niveaulosen Person.

    Nur gut das David Gilmour all das nicht zu nah an sich rankommen lässt und mit einer großartigen Antwort reagiert.

    Mattes

  3. Avatar Jalle sagt:

    Unwürdig, unnötig, unsouverän. Gilmour hat perfekt reagiert…!

  4. Michael F. Michael F. sagt:

    Ich bin weiß Gott kein Psychologe. Aber man braucht, glaube ich, nicht viel Fachwissen, um zu verstehen, dass Waters ein großes Problem mit sich und der Welt hat. Vor allem in Bezug auf die Eigenwahrnehmung. Wie man so was nennt, weiß ich nicht. Aber man braucht nur auf die Gestaltung der Videowände zur aktuellen Tour schauen. Da ist viel Egozentrismus dabei. Auch die Ankündigung der Tour auf den Plakaten spricht für sich… Seit Jahren ist für mich die Erklärung seines Verhaltens, dass man ihm 1985 sein allerliebstes Spielzeug weggenommen hat. Das hat er nie ganz verarbeitet und weggesteckt.

    Der Vergleich mit dem Spielzeug passt mE deswegen so gut, weil sein Verhalten in den letzten Jahren sehr kindisch ist. Auch der aktuelle Schuss gegen Polly. Das ist seiner nicht würdig, sondern nur Ausdruck von sehr viel Frust. Traurig, dass er nicht mehr als so eine Reaktion hinkriegt! Um den Faden mit dem Spielzeug nochmal aufzunehmen: Da ist auch noch einer, der weiterhin mit dem Lieblingsspielzeug gespielt hat. Und Waters musste dabei zusehen.

    Ich schätze Herrn Waters weiterhin als einen der kreativsten Rockmusiker, den diese Welt bisher gesehen hat. Menschlich allerdings… Das behalte ich lieber für mich.

    • Avatar Oskar sagt:

      Nein, du bist bei Gott kein Psychologe. Waters hat nie einen Hehl daraus gemacht psychologische Probleme zu haben und ist seit Jahrzehnten in Psychotherapie, was er früher des Öfteren erwähnt hatte. Ich finde Waters sehr “menschlich”, und zwar deswegen, weil er sehr authentisch ist. Er ist aufbrausend, manchmal ungerecht, narzisstisch, selbstverliebt, nachtragend, impulsiv, inkonsequent…. he, das sind alles sehr menschliche Zuege … Inhaltlich kann man natürlich auch gegen sein Verhalten und seine Aussagen sein, aber ihm seine “Menschlichkeit” absprechen…. ist irgendwie so wie zu behaupten er sei ein Nazi … also eigentlich genau das Gegenteil.

      Ich weiss nicht ob Till Lindemann jemals in Psychotherapie war … apropos menschlich sein …

      • Michael F. Michael F. sagt:

        Naja, so geht es natürlich auch. Dass man nämlich den Begriff “menschlich” nicht normativ versteht, sondern darunter Dinge versteht, die einem Menschen eigen sind. Ich denke, du hast verstanden, dass ich es oben so nicht gemeint hatte. Natürlich hat Waters Eigenschaften, die zu einem Menschen gehören. Aber im normativen Sinne “menschliches” Verhalten hat er eben NICHT.
        Was Lindemann in diesem Kontext zu suchen hat, erschließt sich für mich überhaupt nicht.

        Wie dem auch sei: Ich versuche – soweit möglich – das Verhalten Waters’ auszublenden, wenn ich seine Musik höre. Waters’ Verhalten gerade gegenüber den “Gilmours” muss man weder verstehen noch gutheißen noch rechtfertigen.

  5. Avatar Heiner aus Berlin sagt:

    es wurde schon viel zum Thema geschrieben. Roger Waters ist groß sein Ego ist viel grösser. David Gilmour hat erneut gezeigt, wie man cool und britisch und treffsicher reagieren kann. Hut ab und Dank dafür.
    Es gibt da ein Rockspektakel, in dem beschrieben wird, welche Steine benötigt werden um eine Mauer zu bauen – um sich herum und zwischen den Menschen. Vielleicht sollte Roger Waters sich das Album mal anhören. Ich denke, es ist ihm nicht gänzlich unbekannt.

    • Avatar murph sagt:

      Ja das Ego kann sehr problematisch für Menschen werden, keine Frage.

      Und auch: cool und britisch treffsicher, ganz genau. Genauso britisch treffsicher wie die Verbreitung der Lüge des Antisemitismus via Twitter. Weil das hat gewirkt wie gewünscht, gestern hat sogar die US-Regierung offiziell verlautbart, das Waters ein Antisemit ist.

      Der eine ist halt direkt und kann die Emotionen nicht steuern, der/die andere scheinheilig und spielt die Medien besser.

      • Avatar Peter sagt:

        Wieso ist das eine Lüge? Ich weiß, dass Waters für Dich heilig ist, aber nach der vorherrschenden Definition von Antisemitismus ist er schon ziemlich nah dran. Das einzige Argument gegen seinen Antisemitismus ist seine Beteuerung, keiner zu sein.

        Und unabhängig von der Vorgeschichte: Der Angriff auf Polly Samson war unterirdisch und niveaulos, die Antwort von GIlmour hatte Klasse.

        • Avatar murph sagt:

          Nein, Waters ist nicht heilig für mich. Ich habe ihn nicht verteidigt.
          Bezüglich Antisemitismus ist hier kein Platz für Diskussion, aber natürlich hinterfrage ich die “vorherrschende” Definition, und wo sie vorherrscht, bzw. warum eben das Adjektiv “vorherrschend” so demonstrativ verwendet wird. Meistens muss man ja etwas besonders betonen, wenn man von einer Sache (hier: die Definition) nicht wirklich überzeugt ist.

          Um zur Sache zurück zu kommen: auch ich finde Waters Kommentar hier abstoßend. Aber die Reaktion der “anderen Seite” als lässig hinzustellen, bei der Vorgeschichte, halte ich auch für schräg.

          • Avatar Christoph sagt:

            Oder einfach an nur die Bar gehen. Wäre schön, wenn das auch Roger verinnerlichen würde.. Da könnte er sich, nicht nur mit seinen ‘brothers & sisters’, sondern auch mit Polly austauschen … “Does everybody in the bar feel shame? Lord knows, I do”

  6. Avatar JR75 sagt:

    Tja, wenn man einfach nicht aus dem Fadenkreuz kommt, macht man sicherlich auch Fehler!
    Er muss sich nach wie vor dem Vorwurf des verherrlichen’s von nationalsozialistischer Ideologie und darstellen von nationalsozialistischer Symbolik sowie Antisemitismus-Vorwürfe erwehren und “beißt” scheinbar nach Allen und Allem was nach seiner Lesart diese Angriffe untermauern. Ich finde dies wirklich nur Menschlich, wenn man bedenkt, wie haarsträubend und fadenscheinig so manche Personen oder gar politische Institutionen (unter Nutzung der Judikative) ihn menschlich und medial “Kaltstellen” wollen.
    Das David Gilmour so darauf reagierte wie er es hat, zeigt leider nur das es zu 99,9% keine “Versöhnung” der Beiden geben wird. David war nie so politisch engagiert wie Roger. Ob Syd, Roger in der Art und Weise so unterstützt hätte? Schade ist, das ‘Die unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.’ als Eine von vielen Botschaften die nach wie vor weltweit nicht umgesetzt worden sind.
    Dies Prangert Roger Waters ZU RECHT! an.
    Er ist kein nationalsozialistischer und auch kein antisemitischer MENSCH!
    Wer seine Werke (u.a. auch mit David Gilmour zusammen damals als PINK FLOYD) kennt, versteht bestimmt diese ungerechtfertigten ständigen Angriffe auf den MENSCH Roger Waters und dessen Reaktion.
    Bitte Mal überlegen, ob man selbst resistenter wäre!

  7. Avatar Michel sagt:

    Boum boum boum. Peinlich peinlich. Schade

    Vorschlag : ein Buch nehmen, Musik hören und ein Glas Rotwein. Nicht besser als dieses ewige Geschwätze. Prost

  8. Avatar Marek sagt:

    Die Anschuldigungen von Frau Samson waren vollkommen berechtigt, und abgesehen davon verdient sie es, von jedem uneingeschränkt respektiert zu werden, genauso wie Israel von allen bedingungslos geschätzt werden sollte. 🙂 Ich bin so froh dass es die beiden Typen gibt 😉

  9. GeckoFloyd GeckoFloyd sagt:

    Oh man, i can’t stand it no more.

    Roger, dig this: You were and are the creator of brilliant art you still perform, no doubt about it, but if you’re the type of guy who can’t stand Floyd fans who love David Gilmour, please shut the fuck up. Pink Floyd is way more important than Roger Waters because it was a collective, finally understand that.

  10. Avatar A. Willer sagt:

    du verbitterter alter Mann: Sind das alle Argumente die du nun noch übrig hast?

  11. Avatar Christian sagt:

    Ach, das nervt mich alles einfach nur. Alles nämlich. Seit Jahren.

  12. Avatar Timo sagt:

    Ich habe Rogers Rat befolgt und mich an die Bar verpisst: Nicht mehr auf seine Konzerte gehen, die Lockdown Sessions nicht kaufen und was das alles noch folgen könnte.
    Der Mann ist für mich völlig durch.
    Und das ist schade, da ich seine Musik so sehr liebe.
    Es ist einfach nur traurig.

  13. Avatar Julian Wolf sagt:

    Also, natürlich ist so ein Spruch von RW unter aller Sau. Aber andererseits ist Polly mit Sprüchen wie “ou are antisemitic to your rotten core” auf derselben Ebene, und sie hat damit angefangen. Nur mal so den Spruch genauer angeguckt: Sie hat Ihm nicht nur “Antisemitismus” unterstellt, sondern auch einen “verrotteten Kern”. Sprachlich geschickt, weil der Antisemitismus-Vorwurf stärker betont wird, aber jemandem einen “rotten Core” zu unterstellen finde ich definitiv heftiger.

    Was den Antisemitismus angeht, so wie auch die Vorwürfe gegen Waters, habe ich mich in den letzten Monaten zwangsläufig mit so einigen Menschen und Definitionen beschäftigt. Klar ist, daß Roger auch nach allen offiziellen Definitionen kein “grundsätzlicher Antisemit” ist sondern daß er “Israelbezogener Antisemit” ist. Damit sind wir auch im Bereich des Antizionismus, und in diese Kategorie fällt man oft schon, wenn man einfach nur Israels Sieldungspolitik ablehnt. Amnesty International krieft diesbezüglich auch auch massive Antisemitismus-Vorwürfe, das Thema ist sicherlich komplexer als man sich wünscht. Und halt alles andere als Eindeutig.

    Der Vorwurf “ou are antisemitic to your rotten core” ist daher besonders perfide: Die Einleitung über einen Vorwurf, der sowieos immer wieder im Raum steht und bei dem die Medien gerne aufspringen, im zweiten Teil dann eine persönliche, haltlose Beleidigung, die mitschwingt aber gar nicht mehr hinterfragt wird. Ja, Polly hat eine ähnliche Ebene genommen, aber sie hat es einfach raffinierter angestellt.

    Um zu dem grundsätzlichen Konflikt zurückzukommen: Pink Floyd wäre ohne Waters niemals so erfolgreich geworden. Ohne Gilmour auch nicht, klar, aber Roger hat die Band verlassen und es war SEINE Entscheidung. Daß Polly nun als “Textschreiberin für Pink Floyd” in bezeichnet wird ist natürlich auch Gift für Waters Seele.

    Verfahrene Situation, aber ich finde es dennoch schade, wenn immer nur auf Waters draufgeprügelt wird und er dann verurteilt wird wenn er mal zurückgiftet.

    Alles Liebe, Julian!

    • Avatar Jan sagt:

      Moin Julian, ich sehe es ähnlich wie du. Ich bin leider kein großer Kunstkenner oder Lyriker. Ich habe RW in Hamburg gesehen und bin schwer begeistert.
      Warum Water Frauenfeindlich ist, weiß ich bis heute nicht.
      Bezüglich des Antisemitismus muss ich aber klar widersprechen. Er kritisiert das Land Israel für die Siedlungspolitik im GAZA Streifen. Darüber muss man sprechen dürfen. Keinerzeit habe ich von ihm etwas gehört, was den generell jüdischen Glauben in Frage stellt.
      Auch die Verherrlichung der Nazi-Symbolik verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Sein Mantel und die “Hammer-Binde” sind doch eher dazu gedacht, jegliche Form des authoritären Herrschens zu kritisieren? Er hat seinen Vater durch die Nazis bzw. den WWII verloren.
      Ich bin großer Fan von sowohl DG als auch RW, für mich stellen Sie einfach zwei richtige, mögliche Anschauungen oder Lebenseinstellungen dar. Beide haben in meinen Augen ihre Daseinsberechtigung.
      Herzliche Grüße, Jan.
      (Das war mein erster Kommentar auf dieser tollen Seite :))

      • Avatar Julian Wolf sagt:

        Hi Jan,

        das Thema “Antisemitismus” ist viel diffiziler als man als “normal denkender Mensch” vermutet.

        Aus jüdischer Sicht:
        Die Verfolgung der Juden ist keine Erfindung aus der Nazi-Zeit sondern geht viel weiter zurück in der Geschichte. Daher auch die “Schwein-Problematik”: Das Schwein gilt im Judentum als “unrein” und dadurch ist die “Judensau” zu einem Schimpfwort geworden, welches speziell die Juden Diffamieren sollte. Der Holocaust war natürlich ein irrsinniges Ereignis: Die industrielle Vernichtung von Menschen auf der Grundlage Ihres Glaubens (bzw. Ihrer Abstammung, weil die Kinder von Juden ebenso als Juden zählten) ist in seiner Dimension soweit mir bekannt das größte und schrecklichste Ereignis dieser Art.

        Als Israel gegründet wurde hat man das als “ersten Staat, in dem die Juden sich sicher fühlen können” gesehen. Dadurch hat auch jeder Jude weltweit ein “Rückkehrrecht” nach Israel. Sprich: Jeder Jude kann die Israelische Staatsangehörigkeit annehmen, wenn er das will.

        Schwieriger wird aber die Frage “Warum gerade dieses Land?”. Die Begründung liegt in der Bibel: Es war das Land, das den Juden von Gott versprochen wurde. Was natürlich die Palästinenser, die da gelebt haben, natürlich anders sehen.

        Während ich Antisemitismus als “Gegen den Glauben gerichtet” gesehen habe ist der Vorwurf gegen RW wohl eher “Israelbezogener Antisemitismus” oder auch “Anti-Zionismus”. Das ist auch eine offizielle Definition in Deutschland: Es ist Antisemitisch, dem Staat Israel das Existenzrecht abzusprechen. Und genau hier ist die Problematik mit RW besonders deutlich: Ihm ist ziemlich wurscht, welche Religion oder welche Herkunft jemand hat, er sieht insbesondere das Leid der Palästinenser, daher tritt er bei “Deja vu” auch mit dem Palästinensertuch auf und daher kommen Sätze wie “You can´t have Occupation and Human Rights”. Dieser Satz ist natürlich besonders geladen, denn damit wird ausgesagt “Israel ist ein besetztes Land”, stellt also das Existenzrecht Israels in Frage und damit sind wir wieder im Antisemitismus.

        Die Debatte wird in Deutschland zudem noch seitenlastiger geführt, weil wir ja auch unsere “Täter-Vergangenheit” aus dem Holocaust haben. Einerseits tue ich mich schwer damit, für etwas verantwortlich zu sein, woran ich nie persönlich beteiligt war, andererseits sehe ich aber auch, daß es viele Nationalsozialistische Gruppierungen gibt, die auch heute noch kräftig gegen Juden rumgiften.

        Es ist also alles eine sehr, sehr verzwickte Lage und für jede Richtung gibt es Pro- und Contra-Argumente. Was mich allerdings stört ist, daß der Antisemitismus-Vorwurf zu einem “Totschlag-Argument” geworden ist: Manche sehen es schon als Antisemitismus an, wenn man einem solchen Vorwurf nicht gleich glaubt. Da hört man dann so Sachen wie “Glaubst Du ihm nicht, weil er ein Jude ist?”. Fälle wie Gil Ofarim haben aber leider sehr deutlich gezeigt, daß der Vorwurf des Antisemitismus durchaus auch missbraucht werden kann und (sehr viel) Schaden anrichtet.

        Und daher steht für mein Empfinden Polly Roger in nichts nach, wenn sie erst unreflektiert mit “you are antisemitic to your rotten core” angreift, ohne genauer zu differenzieren ob es jetzt wirklich um direkten Antisemitismus geht, ob es um Anti-Zionismus geht oder wogegen auch immer. Sie hat halt das “Schlagwort” gewählt, das in den Medien gut zieht. Ebenso ist es natürlich ein Unding von Roger, sich dann auf das Schlafzimmer zu beziehen, das geht gar nicht.

        Für mein Empfinden sind es inzwischen halt alles alte Menschen. Der eine ist etwas eleganter, der andere etwas Leidenschaftlicher. Dämlich ist dieser seltsame “Krieg” von allen Seiten aus.

        Alles Liebe, Julian!

      • Avatar Julian Wolf sagt:

        Ach ja, zum Schwein hatte ich noch was vergessen:

        Das Schwein hat dummerweise verschiedene Bedeutungen, zum einen steht es für die “Judensau”, als Schimpfwort für die Juden. Zum anderen kommt es aus Orwells Farm der Tiere und ist über diese Erzählung zusammen mit dem Hund und dem Schaaf bei Pink Floyd gelandet und von Roger weiterentwickelt worden.

        Da Roger jede Aft von “Obrigkeit” verurteilt kam der Davidstern als Symbol für Israel natürlich ebenso wie das Christenkreuz, der Halbmond, Die Währungszeichen und Shell und Mercedes alles mit auf das Schwein, das für Konsum steht und Konsumkritik bedeutet.

        Ich glaube nicht, daß Roger bewusst das Schwein “gegen die Juden” gewählt hat, traue ihm aber durchaus zu, sich über diesen “Zufall” gefreut zu haben. Daß das aus jüdischer Sicht wieder anders aussieht ist auch verständlich, allerdings frage ich mich halt auch, ob ich jetzt bei jedem Wort, bei jedem Satz und vor allem bei jeder Israel-Kritik erst studieren muss um sicherzustellen, daß hier kein Antisemitimus mitschwingt.

        In der aktuellen Tour ist da kein Davidstern mehr drauf, aber ein jüdischer Waffenhersteller. Aus jüdischer Sicht ist das noch immer Kritik an Israel, nur halt verklausuliert, weil der Waffenhersteller sehr klein ist im Vergleich zu anderen. Es gäbe also keinen Grund, “ausgerehchet” einen Jüdischen Waffenhersteller für die Kritik zu nutzen.

        Anderersiets ist es nicht der einzige: Lockheed Martin ist auch mit drauf auf dem Schwein. Und der Israelische Waffenhersteller ist “zufällig” einer der führenden Hersteller für Drohnen, und genau die kritisiert Roger ja besonders scharf.

        Du kannst also hingucken wo Du willst, Du findest immer Argumente für beide Seiten. Und kaum einer ist Bereit, sich mal in die Mitte zu stellen und zu sagen “Haltet einfach mal beide die Klappe!” und zu überlegen, wie das endlich gelöst werden kann.

        Alles LIebe, Julian!

  14. Avatar Frankman sagt:

    Ich verstehe ehrlich auch nicht die „fans“ nicht die scharenweisen zu seinen Konzerten gehen und ihm zujubeln. Er hetzt gegen Pink Floyd ohne ihn und mit vorliegen gegen einen Jahrhundert Gitarristen/ Musiker, sonnt sich dann mit Pink Floyd Titeln, wenn auch aus seiner Zeit. Er gehört als verbittere Diva eher ans Theater und nicht auf die Musikbühne. Ich war 3x auf seinen Konzerten, wenn auch mehr in seiner früheren Solo Phase, aber für mich ist es nur eine Show und nichts was mich musikalisch packt.
    Ähnlich wie bei einem Musical ohne die Aura einzelner herausragender Fähigkeiten die mich packen.
    Ich bin mit dem vorpupettierten Zickengehabe durch und weg.

  15. Avatar AE sagt:

    Wer sich’s noch weiter geben will:
    RW, explosive interview: THE TRUTH (ja in Grossschreibung).
    Zu finden auf YT. Oder natürlich bei Carin.
    Bin jetzt auch an der Bar.

  16. Avatar Philipp sagt:

    Um es mit den Worten von Monty Python zu sagen:
    “Now we come to something completely different.”

    Wir sehen uns an der Bar.

  17. Avatar Julian Wolf sagt:

    Um es vielleicht mal wieder auf die Musik zurückzubringen:
    Ist jemandem von Euch eigentlich aufgefallen, wie ähnlich Rogers Live-Inszinierung von “The perfect Sense” während der Flesh-Tour unserer heutigen Medienberichtserstattung über den Ukraine-Krieg ist?

  18. Avatar Hanno sagt:

    Wir schenken Waters zu viel Aufmerksamkeit. Natürlich kann Werner nicht ignorieren, wenn er Polly Samson derart niveaulos angreift. Aber mein Vorschlag ist, dass wir ihn mit seiner Show nach Südamerika ziehen lassen und seine Taktlosigkeiten nur noch zur Kenntnis nehmen. Mr. Mason, Mr. Gilmour übernehmen Sie (Tour, Album, whatever).

  19. Avatar Ralf sagt:

    Möge jeder hier seinen Frieden finden mit oder ohne Roger Waters.
    In dem Glauben er sei Antisemit oder dem Wissen, daß er lediglich die Politik der israelischen Regierung scharf kritisiert.
    In dem Glauben er liebe alle Menschen wie „brothers and sisters“ oder dem Wissen, daß das für mindestens zwei Menschen nicht gilt:
    Amen. Punkt. Werner, mach fertig hier

  20. Avatar Michael Sedlak sagt:

    Es lohnt sich eigentlich nicht, sich mit Roger Waters zu beschäftigen.
    Er will einfach nicht wahrhaben,dass er musikalisch nichts mehr bringt und nur sein Ego pflegen will.
    Und Hochachtung vor David Gilmour, souverän reagiert.

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