Roger Waters This Not A Drill Live in San Francisco & Los Angeles

Von Marcus Blume

Als im Januar 2020 die Termine für die THIS IS NOT A Drill Tour von Roger bekanntgegeben wurden, sagte ich mir, klar, warum nicht, dann fliegst du für eine Doppelshow nach New York, die Stadt wolltest du doch schon immer sehen. Tickets waren dann leider für nicht nordamerikanische Staatsbürger nur für 1 Show zu bekommen, das war dann auch schnell gekauft. Aber für nur 1 Konzert, der ganze Aufwand, da fiel noch Washington in den Warenkorb, die beiden Konzerte lagen nur einige Tage auseinander. Doch dann kam Corona, alle Termine gecancelt, Tickets on hold und die Frage kam auf, wird Roger noch auf Tour gehen? Im Mai 2021 dann die neuen Termine für 2022. Oje, Washington und New York dann auf einmal mehrere Wochen auseinander und mitten in den Sommerferien. Kein gutes Timing! Also hieß es, noch einmal in sich gehen. Zum Glück konnten die Tickets für Washington und New York zurückgegeben werden. Die Wahl fiel dann auf San Francisco und Los Angeles. Jeweils eine Doppelshow. Noch die Flüge dazu und fertig war die 7-tägige Konzertreise Ende September 2022. Dann begann das Warten. 1 ½ Jahre mit dem Gedanken, bleibt Roger fit, was macht Corona? Dann startete die Tour, Roger schien gesund und gut drauf zu sein, die Band und Crew alle die irgendwie beteiligt waren hatten Corona im Griff und so wurde eine Show nach der anderen gespielt. Die ersten Augenzeugenberichte aus New York trudelten ein und meine Spannung stieg immer mehr.

Am 23.09. bestieg ich in München den Flieger nach San Francisco, 12 Stunden sollte er dauern. Am späten Nachmittag Ortszeit war ich dann endlich angekommen. Den Folgetag verbrachte ich mit Sightseeing. Golden Gate Bridge, Alcatraz, Fisherman’s Wharf den Pier entlang, durchs Financial District usw. Am Abend dann zur Chase Arena, dem ersten Konzert meiner Reise. Eine schöne Halle, die Ränge nicht zu hoch und steil. Ich saß diagonal dem Bühnenkreuz im Unterrang direkt über einem der Kameramänner, die jeweils an den äußeren Ecken für die Livenahaufnahmen zuständig sind. Geflasht von der audiovisuellen Flut an Informationen ging es dann zu Fuß am Pier entlang zurück zum Hotel. Am nächsten Morgen sollte es dann zum Pazifik gehen. Zu Fuß quer durch Japantown, dann durch den Golde Gate Park und je näher ich dem Meer kam, desto diesiger wurde es. Das allseits beschriebene Wetterphänomen habe ich live erlebt. Auf der einen Seite 25 Grad und strahlender Sonnenschein, am Pazifik nur 19 Grad und dichter Nebel. Schade, vom Meer habe ich nichts gesehen und die Server nur verschwommen auf den Wellen gesehen. Aber dir Füße musste ich dann doch ins Wasser halten. Am Abend fand ich mich im Innenraum wieder. An der kurzen Seite der Bühne, ganz hinten/außen, direkt an der Technik. An mir rauschte dann die Band vorbei auf dem Weg zur Bühne, jeweils ca. 5 Minuten vor dem Start des Set 1 und 2. Roger bekommt seinen Special Auftritt, nach Comfortably Numb erklimmt er die Bühne von der „Technik“ Seite und nach den ersten Tönen von In the Flesh von der anderen Seite. Egal welchen Platz man wählt, Roger ist bemüht, alle Seiten gleich zu bespielen. Geschlossen verlässt die Band nach Set 1 und 2 die Bühne jeweils auf der „Technik“ Seite. Doch es ist „no touch it“ angesagt, noch ganz anders als bei der US+Them Tour, niemand kommt Roger zu nah, die Security schirmt den Weg ausreichend ab.

Durch meinen Platz hatte ich das Glück, ihn und die Band nah an mir vorbeigehen zu sehen. Der Sound war großartig im Innenraum und da niemand neben und hinter mir saß, wurde aus dem Sitzplatz schnell ein Stehplatz und es kam ein tolles Konzertfeeling auf. Sonntagmittag, den 26.09. schnell zum Flughafen, ich musste irgendwie von San Francisco nach Los Angeles kommen. 3 Stunden vor Abflug am Flughafen der große Schreck. Eine unfassbar lange Schlange am Security Point. Ich sah den Flieger schon ohne mich starten. Irgendwann rief dann eine total nette Dame vom Service, die Schlange im anderen Terminal sei nicht ganz so lang. Also ich im Laufschritt mit vielen anderen Reisenden rasch zum nächsten Terminal. Die Schlange war minder lang, aber die Abfertigung war besser organisiert. Pünktlich zum Boarding stand ich am Gate, doch der Abflug sollte sich verzögern.

27.9.2022 Los Angeles

In Los Angeles wurde ich einerseits von der Größe der Stadt, also auch von der brutalen Hitze (35 Grad) regelrecht in eine andere Welt gebeamt. San Francisco ist eher beschaulich, trotz der Wolkenkratzer. Los Angeles hingegen ist riesig, laut, voll, Smog, es riecht unangenehm, dazu heiß und es weh kein Lüftchen. Am Montag, meinem 2. Konzertfreien Tag habe ich mich dann auf nach Hollywood gemacht. Am Dienstag stand dann Downtown auf meiner Liste, dort hatte ich auch mein Hotel. Old Downtown hat wunderschöne alte, aber leider völlig heruntergekommene Gebäude, meist ungenutzt und 2 Parallelstraßen weiter werden einfach neuen Wolkenkratzer hochgezogen. Arm und Reich ist unverkennbar in dieser Stadt und leben Tür an Tür. Security, Kameras und Zäune sorgen für eine Zweiklassengesellschaft. Die Crypto com Arena ist gefühlt größer als die Chase Arena. Der Innenraum war auch deutlich mehr bestuhlt. Mein Platz war im Mittelrang, erste Reihe mittig der Bühne auf der Längsseite. Mittiger ging nicht, wie mit dem Lineal gezogen. Was ein Glück. Der Sound, das Beste, was ich während der 4 Konzerte zu hören bekommen habe. Die Bässe und Drums so druckvoll, dass die Sitze zitterten, aber ohne aufdringlich zu ein, jeder Ton ging in Mark und Bein über. Am Mittwoch, dem letzten Tag der Reise war Chinatown dran, der Echo Park und Arts District. Eigentlich wollte ich noch Beverly Hills und Santa Monica sehen, aber die Metropole ist zu großflächig und es hätte ein Auto bedarf, mit den Öffentlichen (mehrfach umsteigen) und Fahrtzeiten von ca. 2 Stunden eine Strecke, dazu fehlte mir die Energie, irgendwie war die Luft raus, denn am Abend wollte ich noch das 4. und letzte Konzert genießen und nicht in den Seilen hängen. Der Platz war im Unterrang, mittlere Reihe, wieder mittig der Bühne auf der Längsseite. Das ständig hin und her rennen der Zuschauer nervte mich bei dem Platz gewaltig, also habe ich den größten Teil der Show einfach die Augen geschlossen und der wundervollen Musik gelauscht.

Das „In the Round Konzept“ finde ich sehr gelungen. Die Bühne in der Mitte, den Ausläufern in alle Himmelsrichtungen, und nicht nur Roger, auch die Backgroundsängerinnen und die anderen Musiker sind bemüht, alle Seiten zu bespielen. Selbst das Schlagzeug dreht sich in der Pause um 180 Grad. Einzig Piano und die Keyboards bleiben an ihrem Platz. So sind die Zuschauer, egal welchen Platz sie wählen, immer nah dran und selbst von höheren Plätzen lässt sich von oben schön auf die Bühne blicken. Der Sound ist ausgewogen, druckvoll und wie immer bei Rogers, perfekt abgemischt. Die Screens werden permanent bespielt, wen das stört, kann sich einfach auf die Bühne konzentrieren. Inhaltlich sind die „Botschaften“ ganz klar auf Nordamerika gemünzt, mein Eindruck, die amerikanischen Staatsbürger finden sich darin wieder, denn für seine Aussagen erntet Roger permanenten Applaus. Ob sich dieses Konzept stark bei der anstehenden Europatour verändern wird, bleibt abzuwarten. Vielleicht in ein paar Texteinblendungen, aber visuell ist der Aufwand zu groß, um das für den europäischen Raum umzustricken. Zu den politischen Äußerungen werde ich keine Stellung beziehen, dazu mag jeder seine eigene Meinung haben, nur so viel, Roger meint es ehrlich, er ist weder pro Ost noch pro West, Roger möchte den großen Weltfrieden ohne Waffen und die Einhaltung jeglicher Menschenrechte. Nicht mehr und nicht weniger und ihm ist bewusst, das er das nicht erreichen kann, aber er möchte seinen Beitrag dazu leisten.

Das Set ist sehr gelungen. Das neu interpretierte Comfortably Numb ist wirklich stark. Mit den dann folgenden Wall Stücken werden die Zuschauer richtig ins Konzert gezogen, da bleibt niemand auf seinem Stuhl sitzen. Meine persönlichen Highlights sind bei dieser Tour ganz klar die Stücke aus den Soloalben. The Bravery of Being Out of Range ist ein wundervolles Stück, sehr angenehm live zu hören. Einziger Wermutstropfen, gegen Ende wird es einmal kurz durch das Gequatsche von Ronald Reagan gestört, passt zum inhaltlichen Konzept, schadet leider dem Stück. Déjà Vu und Déjà Vu (Reprise) sind großartig, vor allem die Verbindung der beiden Songs zu einem mit dem eingebundenem Saxophonpart finde ich extrem gelungen. Two Suns in the Sunset ist ein toller Abschluss, ich mochte das Stück immer, doch live kommt es noch einmal krasser. Zu Have a Cigar und Sheep brauche ich nicht viele Worte verlieren, die tragen sich von selbst. Kleine Anekdote, neben den „Bäh“ Rufen pfeift Roger nach den ersten Versen das Schaf Brian aus dem „Stall“. Bei Shine On war ich erst skeptisch, ob Parts VI-VII + V funktioniert, aber das läuft in der Zusammenstellung echt gut. Insgesamt eine gelungene Mischung der Songs, die eindeutig einen roten Faden haben. Alle Geschmäcker werden nie getroffen, mir persönlich gefällt das Set sehr, auch wenn es eher ruhig und bedächtig endet und nicht mit dem großen Rausschmeißer, muss auch nicht!

Schön war die kurze und knackige Konzertreise mit Roger und seiner Band auf der Nordamerikatour, die nun für mich am Donnerstag, den 29.09. am Flughafen Los Angeles endet. Der Rückflug nach Haus ins wunderschöne München verzögert sich leider um mindestens 2 Stunden und wenn der Vorverkauf für die Europatour beginnt, sitze ich noch im Flieger. In München werde ich auf jeden Fall noch einmal dabei sein!

7 Antworten

  1. Avatar Norbert B. sagt:

    Gerade Tickets für München bestellt und dann diesen tollen Bericht hier gelesen. Oh Mann, wie soll ich jetzt die Wartezeit bis zum Konzerttermin überbrücken…

  2. GeckoFloyd GeckoFloyd sagt:

    Sehr schöner Bericht, vielen Dank, Marcus! Oh, Mann wie lang ist das schon wieder her, dass ich in San Francisco und Los Angeles war. Das war 1994 als PINK FLOYD auf Amerika-Tour waren. Ich bin spontan ins Konzert nach OAKLAND (20.04.1994) nachdem ich ein Plakat gesehen hatte. Man sieht sich ggf. in München 😉

  3. Avatar Alois sagt:

    Vielen Dank für den schönen Bericht, das liest sich super! Das hat mich gleich an meine Reise von vor 5 Jahren erinnert, als ich die beiden Shows in Boston besuchen durfte und begeistert war. zum Glück war Corona damals noch kein Thema. Ich denke ebenfalls, das die Show für Europa kaum Veränderungen erfahren wird. Eventuell eine andere Zugabe?
    Ich freue mich jedenfalls schon jetzt sehr auf die Konzerte in Mailand und Frankfurt!

  4. Avatar Marius sagt:

    Wirklich ein toller Bericht, sehr passend zum Start Kartenverkaufs heute, da bekommt man direkt nochmal einiges mehr an Vorfreude – vielen Dank! 🙂 In München werden diesmal ja einige von hier dabei sein..die einzige Setlist-Veränderung die es womöglich erneut gibt ist eine erneute Ansage von Waters über den Bürgermeister. 😀 Aber hoffen wir mal dass es dazu nicht kommen muss.

  5. Avatar Rainer sagt:

    Danke für diesen exzellenten Bericht ,der mich auch dazu bewogen hat mir eine Karte zu kaufen.
    Vielen Dank auch dafür das du auf Rogers Ambitionen (Ost /West) eingegangen bist!
    Wer seine Texte seit Jahrzehnten kennt teilt sicher deine Auffassung.

    • Ina Ina sagt:

      Vielen Dank für den gelungenen, emotionalen und musikalisch analysierenden Bericht! Super geschrieben mit vielen Details!
      Wir konnten uns noch nicht zum Ticketkauf durchringen. Die Preise sind recht hoch und wir haben schlechte Erfahrungen mit den gekauften Tickets in der Corona Zeit gemacht.

  6. Avatar Janos sagt:

    Vielen Dank für diesen toll geschriebenen Bericht. Werde trotzdem nächstes Jahr , aufgrund der völlig überzogenen Preise und seinen Äußerungen zum Ukrainekrieg, nicht dabei sein.

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