Roger Waters MSG 2022

Von Michael Weickenmeier

Das Konzert begann für mich, wie bei Waters gewohnt, lange vor dem ersten Ton. Aber diesmal aufgrund der Israel-Aktivisten, die vor der Halle mit Fahnen, Plakaten und Handzetteln Stimmung gegen Waters machten. In der Halle selbst empfand ich die Atmosphäre ebenso wie meine Vorredner. Der MSG hat ein besonderes Flair. Die Show ist Waters-typisch extrem durchstrukturiert und läuft professionell wie am Schnürchen ab. Vom ersten Ton (dem Donnerschlag zu Beginn der Projektionen) bis zum letzten (dem Schlussakkord mit Blackout bei Outside the wall, hier quasi Outside the arena mit Videoeinblendung der Band Backstage) ist alles perfekt durchgeplant. Mr. Cross liegt zu Beginn und auch zum Schluss wieder auf den Laufstegen. Er hebt sich majestätisch im dramatischen “Vocal-Solo” am Ende von Comfortably numb. Dabei senken sich auch die Laufstege leicht ab. Weitere Bewegungen sind vor und nach dem Ende der Laserprojektionen, um den Strahlen Platz zu machen. Es gibt Zugänge für die Instrumententechniker im „Bühnen-Würfel“ jeweils direkt bei den Musikerpositionen, aber sehr geschickt getarnt.

Ich saß dienstags im Innenraum, vierte Reihe direkt frontal vor Jon Carin und Rückansicht von Waters am Klavier. Mittwochs dann mittlere Empore, Breitseite vor Kilminster. Zunächst dachte ich, dass ich dienstags mit dem Platz unmittelbar vor der Bühne diesmal eine schlechte Wahl getroffen hätte wegen der Größe der Projektionsflächen hoch über mir, aber dem ist nicht so. Im Gegenteil, man kann sich wunderbar auf das Geschehen auf der eigentlichen Bühne konzentrieren oder den Blick ein wenig mehr für die Projektionsshow heben, je nach Gusto (und Angebot). Das Konzert funktioniert meines Erachtens auf diesen verschiedenen Ebenen. Man kann sich nur auf die Bühne/die Musik konzentrieren oder Mr. Cross mit einbeziehen. Die Musiker nutzen die Möglichkeiten der vier Laufstege für Solo-Momente (Sax, Gitarre) gut aus. Waters gibt sich Mühe, während der Show an allen Positionen gleich oft vertreten zu sein.

Der Sound war fantastisch, es gab auch wieder Surround PA mit den entsprechenden typischen Klangeffekten. Die Lichtshow ist statusgemäß natürlich extrem musikdienlich eingesetzt. Oft theatertechnisch; an einigen passenden Momenten auch mit der „großen Kelle“ (Another brick, In the flesh). Fliegendes Schaf (wo jeder erst mal das Schwein erwartet …) und dann doch noch das „politische“ Schwein. Keine Drohne, keine Pyros. Und ja: Die Laserpyramiden waren schon genialer als diese Version. Beeindruckend ist der Pyramidentunnel dennoch, wenn auch nur mit weißem und später blauem Laser.

Zur Musik

Die Band wirkt nun völlig organisch und spielt im besten Sinne „musikalisch“. Das merkt man besonders bei den filigranen Momenten, z.B. Two Suns In The Sunset. Es ist einfach ein Genuss, zuzuhören. Hier poltern keine Broad-Drums mehr. Lip Sync bei Waters habe ich nicht ausmachen können. Er spielt recht oft am Flügel. Manchmal folgt ihm Carin dabei spielbereit wie ein Luchs mit den Augen. Das kenne ich von Udo Jürgens. Aber oft muss er nicht übernehmen.

Der Anfang: Comfortably numb schwankt zwischen dystopisch und feierlich. Jedenfalls ist es packend. Carin schrieb dazu dienstags bei Facebook: “Well, because this song was recently only about mirror balls and lasers, it was a good opportunity to reinvent it.” Kleiner Seitenhieb, aber ja: Diese neue Version wirkt. Die fehlenden Gitarren mögen sich bei manchen im Kopf abspielen. Auch nicht schlecht. Auch das passt.

Fun fact

Am Ende von Run like hell nimmt Waters die Maschinenpistole, dann aber ein Schild, das ihm jemand von der Seite reicht, mit der Aufschrift: „The gun is verboten!“ Er schießt dann nicht. Ein wunderbarer Moment und toller Abschluss ist der Übergang von „The bar – Reprise“ zu Outside the wall mit Polonaise rund um die Bühne, Abgang und dann, wie gesagt, dem Weiterspielen hinter den Kulissen.

Insgesamt fiel mir auf, dass der rote Faden diesmal die Bar ist. Waters erklärt ausführlich, dass für ihn eine Bar ein Ort der Kommunikation, des Zusammenseins, der Gleichheit und der Harmonie ist. Die beiden Teile gegen Beginn und gegen Ende wirken wie eine Klammer – aber: Zur Pause kommt die Ansage, dass die Bar nun offen sei. Zufall? Nicht bei Roger. Und auch die Polemik beim “Vortext” (They might as well fuck off to the bar”) passt da rein. This is not a drill.

Von Gecko und Richard wurden bereits die Moderationen erwähnt. Waters erzählte sehr viel, musste sich manchmal (ironisch?) bremsen. Das Heimspiel machte ihm sichtlich Spaß, und sowas überträgt sich. Insgesamt wirkte Waters ruhiger, intimer und natürlicher als bei den vergangenen Touren. Ich vermute, dass die MSG Garden Konzerte gefilmt wurden. Eine Kamerafrau in Schwarz turnte auf der Bühne herum, deren Bilder aber nicht über Mr Cross kamen. Außerdem entdeckte ich am Front Of House ein Kunstkopfmikrofon und mehrere Zusatz – Audience – Mikrofone am Bühnenrand.

4 Antworten

  1. Avatar Christian sagt:

    Sehr schöner und detailreicher Bericht – vielen Dank dafür! Macht Vorfreude auf die Europa-Termine.

  2. GeckoFloyd GeckoFloyd sagt:

    Danke für den Bericht! Sehr schön! Die Leute mit dem Flugblatt habe ich nur am ersten Tag gesehen, mir wurde eins in die Hand gedrückt und ich sagte zu dem Fräulein nur "No, that's wrong! He ain't no Jewhater! Roger wants PEACE ON EARTH, go and read more about him and everything… and everything under the sun is in tune" 😉

    • Avatar Michael W sagt:

      Ich war da etwas nonchalanter und habe sie sprachlos gemacht. Mein Kommentar war: "Well, you know, I'm from Germany, and from its history I can tell you about some REAL Jew haters. And Roger, he isn't."

      • GeckoFloyd GeckoFloyd sagt:

        😀 Sehr gut! Wow, das war mutig von Dir, ich dachte dran, und sagte noch zu Richard, das brauchen wir denen nicht sagen. Aber das hätte ich mich nicht getraut. Ich muss zugeben, dass ich meine Germanity oft verschleiere. Das Höchste der Gefühle war mal ein Eingländer, der mich mit meinem California-verseuchten English vom Akzent her für einen Sudafrikaner hielt 😉

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