Roger Waters 4.6.2017 Denver, Pepsi Center

Roger Waters 4.6.2017 Denver

Thank you Roger!

Von Michael Behm

Eigentlich wollte ich ja den Tour-Auftakt in Kansas City sehen, zumal wir zurzeit dort leben. Die Arbeit hat mich jedoch für 3 Wochen in das schöne südliche Colorado verschlagen, so lag es nahe einen Abstecher nach Denver zu machen. Aus den zwei Stunden Autofahrt wurde deutlich mehr, zumal ich den Trip mit einem Ausflug in die Rocky Mountains verband. Die Lokation (Pepsi-Center) war mir wohlbekannt, da ich Roger Waters dort schon mit The Wall sehen durfte. Diesmal traf ich mich mit zwei alten Bekannten, die noch in Colorado leben. Einlass gegen 20 Uhr, kurze Sicherheitskontrolle inklusive. Wir hatten Sitze weit hinten und hoch oben, und die Arena war voll gefüllt. Noch während des Einlasses war ein Video projiziert, welches die Frau aus dem Deja Vu-Video zeigte – von hinten betrachtet, und auf den Ozean starrend.

Neue Band ist ein Glücksgriff

Schliesslich ging es mit „Speak to me“ los, und der Rest der Setlist deckte sich mit den bisherigen Konzerten. Highlight der ersten Hälfte war das Duett der Sängerinnen bei „The Great Gig in the Sky“. Die alte Animation zu „Welcome to the Machine“ war auch wieder sehr beeindruckend (und bedrückend). Ich war überrascht, wie gut sich die neuen Songs in die altbekannten einfügten, und vor allem wie positiv sie vom Publikum aufgenommen wurden. Die Aufnahme von“Another brick in the Wall pt.3“ in die Setlist war für mich unerwartet, aber höchst willkommen.

In der Pause reflektierte ich den bisherigen Teil der Show, vor allem im Vergleich mit der 2000er-Tournee und der „The Wall“-Show. Der grosse Unterschied zu den beiden früheren Konzerten ist ein Fokus auf die Musik. Sowohl Roger als auch der Rest der Band wirkten euphorisch und die musikalische Darbietung ist wesentlich leidenschaftlicher. Die Balance zwischen der Bedeutung der Show und der Musik ist sehr gelungen. Die neue Band ist definitiv ein Glücksgriff, ich musste Parallelen zu Leonard Cohen und seiner Band auf seinen letzten Tourneen ziehen. Die zweite Hälfte sollte diesen Eindruck noch deutlich steigern.

Bombast folgt auf Subtilität!

Animals ist mein Lieblings-Floyd-Album (die anderen wären Atom Heart Mother, Wish You Were Here, The Final Cut und The Endless River), und die Live-Darbietung von „Dogs“ und „Pigs“ vor der projizierten Battersea Power Station in einem neuen Kontext war unglaublich. „Pigs“ war das ultimative Highlight – aber nicht nur wegen der durchaus treffenden Neudeutung mit Donald Trump. The band was on fire! Diese Version hält dem Vergleich mit den 77er-Bootlegs durchaus Stand. Die musikalische Quintessenz des Songs – knochentrocken, knallhart, zynisch, schneidend, aber durchwegs groovig – wurde perfekt getroffen. Schlagzeug, Bass, Gitarre, Keyboards – als ob die alten Floyd, geleitet von der Wut eines jungen Roger, vor sich hinrocken. Absolut fantastisch. Das Publikum war hin und weg, und das zurecht.

„Us and them“ und „Smell the roses“ sind mir auch sehr gut in Erinnerung geblieben, obwohl mir die Videos zu letzterem eine Spur zu dick aufgetragen sind. Die Zugabe – „Vera“ und „Bring the Boys back home“ akustisch – war ein weiteres Highlight. Der Sprung zum Finale mit „Comfortably Numb“ war etwas harsch (Bombast folgt auf Subtilität), aber die neuen und zum Konzept passenden Animationen lassen gleich wieder Begeisterung aufkommen. Und soviel sei verraten,
das Eingangsvideo mit der am Strand sitzenden Frau taucht am Ende wieder auf, mit Variation. Es bildet ein visuelles Analog zu „Pigs on the Wing“ pts. 1 und 2, und damit eine weitere Referenz zum Animals-Album.

In Summe war es ein unglaubliches Konzert. Ich war ja nie ein Riesen-Fan von „Dark Side of the Moon“ und wünschte, bei diesem Konzert mehr von anderen Alben und vor allem von „Radio KAOS“ zu hören (Randnotiz: Bei der Bandvorstellung am Ende zollte Roger Waters dem Saxofonisten Ian Ritchie Tribut: „Not many people know this, but this guy produced Radio KAOS!“ – und selbiger bekam dafür deutlichen Applaus vom Publikum).

Freude an der Musik ist zu spüren

Aber nach dem Konzert kann ich nur sagen, dass die Songauswahl und deren Darbietung im neuen Kontext perfekt sind. Das Konzept bzw. die Message der Show – Gleichgueltigkeit, Indifferenz, Gier, Dummheit und Ignoranz zerstören die Gesellschaft – wird von der Musik und den Songs getragen. Die Animationen und Videos sind subtil und zugleich aussagekräftig und eindeutig. Vor allem in den USA ist der Gesellschaft zu wünschen, dass möglichst viele Menschen diese Show sehen und zum Denken angeregt werden. Es ist eine Verkürzung, sie als reine Anti-Trump-Propaganda zu sehen. Die aufgeworfenen Fragen sind viel grundlegender und weisen auf die vielen faulen Stellen in unserer Gesellschaft hin. Die Leidenschaft für dieses Thema war und ist die treibende Kraft hinter Rogers Aktivität, und mit dieser Show hat er sich meiner Meinung nach wieder einmal selbst übertroffen. Und über allem ist die Freude an der Musik zu spüren. Im Gegensatz zur „The Wall“ – Show ist die Band im Vordergrund, und die Songauswahl fokussiert auf die Musik. Insofern ist die Absenz von den textlastigen (und meiner Meinung nach musikalisch eher schwachen) „Amused to Death“ – Songs auch zu verkraften.

Mein persönliches Fazit: Danke, dass ich das noch erleben durfte! Neben der Freude bleibt die Inspiration, dass (sofern die Gesundheit passt) Alter keine Frage der Lebensjahre ist und dass man nie in Gleichgültigkeit abdriften sollte. Roger, rock on!

Konzert-Statistik:

Spielstätte: Denver Pepsi Center
Kapazität: 18.000 Besucher
Adresse: 1000 Chopper Cir, Denver, CO 80204, USA
Web: Denver Pepsi Center
Ticketpreise: $55 – $200
Einlass/Beginn: 19h/20h

Band:
Roger Waters: Vocals, Bass, Guitar
Joey Waronker: Drums
Jonathan Wilson: Guitar, Vocals
Gus Seyffert: Guitar, Bass
Dave Kilminster: Guitar
Drew Erickson: Hammond Organ, Piano
Jess Wolfe: Vocals
Holly Laessig: Vocals
Ian Ritchie: Saxophone
Jon Carin: Keyboards, Guitar

Setlist:

Set 1:
01. Speak to Me
02. Breathe
03. One of These Days
04. Time
05. Breathe (Reprise)
06. The Great Gig in the Sky
07. When We Were Young
08. Déjà Vu
09. The Last Refugee
10. Picture That
11. Welcome to the Machine
12. Wish You Were Here
13. The Happiest Days of Our Lives
14. Another Brick in the Wall (Pt. 2)
15. Another Brick in the Wall (Pt. 3)
Set 2:
16. Intro: Battersea Powerstation
17. Dogs
18. Pigs (Three Different Ones)
19. Money
20. Us and Them
21. Smell the Roses
22. Brain Damage
23. Eclipse
Encores:
24. Vera
25. Bring the Boys Back Home
26. Comfortably Numb

Ich danke Michael für seinen Bericht!

11 Antworten

  1. Avatar Udo sagt:

    Danke, Michael für den tollen Bericht!
    Das steigert die Vorfreude auf kommende Europashows
    ungemein!
    Bin gespannt auf die Termine und Stadien.

  2. GeckoFloyd GeckoFloyd sagt:

    Auch von mir Danke für den Spitzenbericht, sehr packend erzählt! Was mir besonders gefällt ist Dein Vergleich von der Spielfreude der Band mit den WALL-Shows! Da freue ich mich nun noch mehr auf die Konzerte! Denn wie ich schon mal hier sagte, nach den Shows von David in der RAH, war ich nur kurze Zeit später in Roger’s Wall-Film und spürte eben nicht diese Leidenschaft der Musiker, wie es bei David’s Band der Fall war. Cheers.

  3. Ina Ina sagt:

    Toller Bericht!
    Die Vorfreude auf die Europa Termine wächst..
    Weiß Jemand, ob es schon kongrete Termine für Europa gibt (Frühjahr o. Herbst)?

    • Avatar TW sagt:

      Wenn man davon ausgeht, dass Waters 2018, wie er ja schon einmal gesagt hat, nach Mexico zurückkehrt, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass er nächstes Jahr schon im Sommer Stadionkonzerte in Europa spielt.
      Vielleicht spielt er vorher im Frühjahr aber noch ein paar Arenashows in Europa. Wer weiß

    • Avatar Oliver sagt:

      Im Februar spielt er erst in Australien/ Neuseeland, zwischen März und Juli Europa. Da die Tour bis Oktober gehen soll danach wahrscheinlich Südamerika. Outdoorkonzerte sollen eventuell 2019 folgen.
      So Waters’ Angaben in diversen Interviews, aber er bringt sowas ja auch gerne durcheinander.

      • Avatar TW sagt:

        Kann sein, aber das Problem ist, dass es in Mexiko, Südamerika und auch in Australien/Neuseeland so gut wie keine bzw. überhaupt keine Indoor Arenen gibt.
        Wenn er dort spielen will muss er in Stadien gehen.

      • Arne Arne sagt:

        Da die Ticketpreise in Europa geringer sind als in den USA und die Konstruktion, die ein Hallendach benötigt, nun weggefallen ist, könnte ich mir vorstellen, dass wir Roger schon im Sommer in Europas Stadien antreffen werden.

        • Avatar TW sagt:

          Gut möglich. Stören würde es mich nicht ;-D

        • Avatar Oliver sagt:

          Ne, die ein Hallendach benötigende Konstruktion ist wohl wieder reaktiviert!

          • Avatar TW sagt:

            Naja abwarten. Die Stadionshows, wenn es welche gibt, wären dann wahrscheinlich dasselbe Setup wie letztes Jahr in Mexiko und beim Desert Trip Festival.
            Vielleicht würde er noch ein/zwei Sachen hinzufügen, da die Bühne sonst größtenteils ja aus Standardteilen (wenn auch in großer Stückzahl) besteht.

  4. Avatar TW sagt:

    Hier ein nettes Interview zur Tour mit Videos vom Aufbau: Roger Waters: The Us + Them Tour

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